Hyéres – l´Almanarre 2000

21. Januar 2000, Halle (Saale), 19:30 Uhr Abfahrt mit drei Autos nach Frankreich. Nach der Umschiffung einiger Staus, einigen Zwischenstopps auf saukalten Parkplätzen, problemlosen Grenzpassagen, wurde es irgendwann kurz nach 7:00 Uhr im Rhónetal hell. Die Sonne schien, der Tank war alle, wir hatten keine France mit und tankten in der Hoffnung, das man unsere EC Karte anerkennt. Draußen an der Tankstelle wehten bestimmt 6 Windstärken und auf dem Parkplatz wurden die ersten französischen Autos mit Surfbrettern johlend begrüßt. Je näher wir ans Mittelmeer kamen, um so mehr wurde das Thermometer abgelesen, anstatt des Tachos. Immer noch 10°C. Dann wie immer der ersten grandiose Blick, kurz vor Toulon, vom Berg auf das Mittelmeer. Geil. Aber keine Schaumkronen, kein Wind, keine Wellen. Aber erst einmal ankommen. Nach 13 Stunden Fahrt im Konvoi sind wir endlich in Hyéres angekommen und checken uns in unseren Appartements ein. Das Mittelmeer gleich vor der Tür. Was fehlt ist der Wind. Pünktlich 16:00 Uhr bilden sich weit draußen die ersten Schaumkronen und das Fragment einer Fahne, die vor unserem Haus steht, zeigt geradeaus aufs Meer hinaus. Onshore in l´Almanarre. Um uns Bewegung zu verschaffen fahren wir mit dem Fahrrad rüber nach l´Almanarre und hier blasen schöne sechs Windstärken direkt auflandig und uns den Sand in´s Gesicht. Heute reicht es uns noch vorerst zuzuschauen und den Spot zu checken. Dabei bekommen wir von den Surfern draußen eine Super Show geboten. Vorwärts- und Backloops, AerialJibe und fette Sprünge. Dafür reicht aber heute die Kondition nicht mehr. Also Abendbrot und zeitig (24:00 Uhr) ins Bett morgen könnte es hacken.

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2. Tag (Sonntag, 23. Januar 2000) Früh wie immer kein Wind. Erst einmal ein Frühstück unter Frankreichs Sonne einnehmen. Dann stellt sich pünktlich gegen 12:00 Uhr unsere Fahne auf ablandigen Wind ein. Schumi und ich fahren mit dem Fahrrad nach l´Almanarre und fahren wegen zunehmenden Wind gleich wieder zurück. Im Lager wird zum Aufbruch geblasen und der Tross setzt sich nach l´Almanarre in Bewegung. Wir bleiben am Südlichen Ende der Bucht, da der Wind von West auf Nordwest dreht und von rechts Onshore bläst. Aber nicht wie versprochen mit 5Bft. Sondern vielleicht mit 4Bft. Fast geschlossen ziehen wir mit 6,5m² raus aufs Wasser und ich reite beim reinfahren die ersten Wellen in diesem Winter Backsite ab. Der Wind nimmt zu und ich entschließe mich doch 5,3m² aufzuriggen und Schumi, der die ganze Zeit die Autos bewacht hat, fährt auch mit 5,3 raus. Nach einigen Sprüngen flaut der Wind richtig gemein ab und ich bin noch draußen. Jetzt kann ich ca. 500m vom Ufer entfernt sehen, daß die Kitesurfer bei diesem Lummerwind doch eine Chance haben. Die 500m bis zum Ufer habe ich dann schwimmend mit Hilfe der Wellen zurückgelegt, da der Wind für mich, mein Segel und meinen Axxis einfach nicht mehr reichte. Schumi hatte währenddessen bei ca 2Bft. sein 5,3m² NP NR geschrottet. Am Abend haben wir dann zum ersten mal Risiko gespielt und ich habe verloren.

3. Tag (Montag, 24. Januar 2000) Kein Wind, Frühstück, Fahrradfahren, abhängen, gammeln, Fahrradfahren zur Mole – Wetterbericht visuell übersetzen: Dienstag 5Bft. Ost. Also wieder zurück und weiter abhängen, beten und diverse Bieropfer für den Windgott darbringen. Den Tag haben wir dann fahrradfahrend die Halbinsel erkundet und sind zeitig gegen 1:00 Uhr bei offener Tür zu Bett gegangen.

4. Tag (Dienstag, 25. Januar 2000) Nach einem ausgiebigen Frühstück und verzweifeltem Warten auf Wind erklärte uns unser freundlicher Vermieter, dass heute kein Wind zu erwarten ist, aber ein Wetterwechsel. Mittwoch 8 – 9Bft. Ost. Der Wind frischte vormittags dann doch noch auf bis zu 3 – 4 Bft auf, so dass wir mit größtem Material ein bischen tricksen aber doch hauptsächlich speeden konnten. Tom Jahnel übte sich fleißig am Wasserstart und sogar Raik ließ es sich nicht nehmen mit seinem 6einser MPR bei super 3Bft Hack ins Wasser zu steigen, um dann doch nicht gleiten zu können. Schumi eierte in der Welle 360er mit 295 Xantos und 7,5 m² RAF um uns am Schluss seiner Kür den Absprung mit großem Material zu zeigen. Nachmittags haben wir es dann ruhig angehen lassen um Mittwoch zu einem großen Tag werden zu lassen. 3 Partien Risiko ließen es dann doch wieder 1:00 Uhr werden.

5. Tag (Mittwoch, 26. Januar 2000) Irgendwann gegen 6:00 Uhr weckt mich eisige Kälte und das ständig anschwellende Geräusch vom Shorebreak vor unserer Tür. Nach einigem Überlegen entscheidet sich mein Körper für´s weiterschlafen bis es hell ist. Gegen 8:00 Uhr werde ich dann richtig wach als Schumi auf dem Klo das Fenster öffnet und der Wind sich entschließt die Tür im meinem Zimmer abrupt mit einem lauten Knall zu schließen. Das Frühstück muss drinnen stattfinden, es regnet und es ist immer noch saukalt. Heute hat die Sonne keine Chance.

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Schumi baut als erster auf. Der Wind bläst bestimmt mit 7 Bft. Also entscheiden wir: Schumi muss mit 4,7m² und seinem 267 Axxis heute das Frettchen spielen. Ich liege in meinem kuscheligen Schlafsack und sehe Schumi in den Wellen rumheizen. Mein Magen meldet seine ersten Bedenken an, die Schumi mit seinen medizinisch professionellen Argumenten zerstört. Wir entschließen uns zu viert doch ein bisschen kleiner aufzubauen und gehen raus. Jörg, Ralf, Schumi und ich befinden den Shorbreak weich wie Butter. Er bietet, wenn man den Peak bekommt, geile Sprungrampen. Manöver klappen nur halbherzig und der Wind nimmt immer noch zu. Jede halbe dreiviertel Stunde müssen wir uns im Zimmer am Elektroofen aufwärmen und ich entschließe mich doch eine Neoprenhaube aufzusetzen. Auf zur nächsten Session. Meine Hemmungen an der Welle abzudrücken schwinden und irgendwann macht es richtig Spaß nach Luv abzudrucken und hoch zu steigen. Draußen im Meer stehen zwei große Betonblöcke, zwischen denen man wohl angeblich hindurchfahren kann und die wir gestern bei gutem Wetter deutlich gesehen haben. Heute sind werden sie komplett von den Wellen verschluckt und zweimal tauchten diese Riesenteile ca. 20m vor mir urplötzlich auf. Halsen, shiften, dicht und weg. Dieser Tag war wirklich Hardcore für alle von uns. Man hätte bestimmt 3,7m² fahren können und wir waren mit 4,0 – 4,2 unterwegs. Hat aber viel Spaß gemacht. Abends legten wir uns mit der Gewissheit hin, dass am nächsten Morgen irgendwann Detlef und Kai ankommen würden.

6. Tag (Donnerstag, 27. Januar 2000) 7:00 Uhr werden wir durch Klopfen und Stimmen „Hier stinks nach Neopren und Knoblauch, hier sind wir richtig“ geweckt. Kai und Detlef sind da und lassen uns nicht mehr schlafen. Der Tag fing gut an. Jörg, Schumi und ich sind in die Berge biken gefahren, die anderen 5 haben schon mal angefangen Detlefs Geburtstag nachzufeiern. Wenn kein Wind ist ist die südliche Bucht von l´Almanarre genial zum Biken. 20 – 30m Steilklippen, 18°C im Schatten, Trampelpfade auf denen du das Wasser unten nicht mal gurgeln hörst, so hoch drüber bist du. Aber wenn man den Blick auf den Wasserspiegel von oben wagt, kann man bis auf den Grund des Mittelmeeres schauen. Der Tag verlief dann recht ereignislos, denn unser Vermieter orakelte wieder was vom Wetterumschwung, der uns morgen wieder Onshore auf die Bucht von l´Almanarre bringt.

7. Tag (Freitag, 28. Januar 2000) Unser Vermieter hatte recht. Den ganzen Tag über schien die Sonne und es wehten konstant 5Bft. Umriggen kam heute für mich nicht in Frage, denn ich hatte meine Schwimmaktion vom Sonntag noch grauenhaft im Gedächtnis. Mit 6,5m² waren wir wirklich top bedient und Schumi konnte sein neues DüsseldorferMesse – Soul wunderschön einweihen. Bis ca.13:00 Uhr konnte man bei idealen Windverhältnissen die gesamte Bucht von l´Almanarre ausmessen und in ihrer Mitte die Welle Backsite abreiten. Am Nachmittag drehte der Wind dann von Südost auf Ost und die Kitesurfer machten uns das Leben und navigieren echt schwer. Einmal hatte ich dann auch fast einen Totalcrash mit so einem Heini, dem ich dann nur mit einem abrupten Wechsel nach Luv entkommen konnte. Der Tag hat uns allen viele neue Moves gelehrt und wir konnten sie nach dem Starkwindtag vom Mittwoch auch alle sinnvoll ausprobieren. Der Tag endete nicht wie jeder vorangegangene, sondern in einer Clubversammlung in der sich Kai als Frauensurftrainer outete, Raik die Mitgliederbeiträge für Bundeswehrsoldaten und Arbeitslose herabsetzen wollte und Detlef zum ersten Gesprächgegenpart von Raik wurde. Ich hab Detlef leiden sehn.

8. Tag (Samstag, 29. Januar 2000) Nach zwei Nächten mit Schumi tut mir der Rücken weh. Vorher hatte ich das ganze Bett für mich, aber seit Kai und Detlef getrennt im Doppelstockbett schlafen, teile ich mir mit Schumi das „Ehebett“. Unser morgendliches Gespräch dreht sich um Schumis und meine Abreise. Der Wind verspricht zu halten und zuzunehmen. Schumi überlegt ernsthaft ob wir erst Sonntagfrüh abfahren wollen, um den Samstag noch voll auszureizen. Die Wettervorhersage versprach seit gestern Abend ein Sturmtief, welches von West aufzieht. Unserer Fahne nach stimmte das, denn die zeigte schon wunderschön auf´s Meer hinaus. Nach dem Frühstück das ewige hin und her was baut man auf. Das war dann auch schon immer eine Show für sich. Unser VW Transporter diente als gemeinsamer Boardcontainer und Schumies Espace als rollendes Segelfach für uns acht Leute. Da gab es dann und wann schon mal verwunderte Blicke der Franzosen beim Öffnen eines der Autos und rechtfertigte unsere operativ taktische Maßnahme: immer ein Mann am Auto. So ist bei uns auch nie etwas weggekommen.

Angefangen haben wir wohl alle an diesem Tag mit 5er Segeln, aber der Wind nahm zu und die Wellen größer. Spätestens ab14:00 Uhr fuhren wir alle um die 4m² und ich das erstemal meinen Waveeimer. Premiere. Die Cutbacks gelangen noch besser, die Sprünge und Moves waren kontrollierbarer und man war schneller. Während ich mich noch mit langweiligen Geradeaussprüngen und Hochsprüngen beschäftigte, übten Kai und Schumi Dunkikicks neben 2 Französinnen. Sah sehr erotisch aus.

Ein Wort muss man wohl noch zu Kondition unserer mitgefahren Surfer sagen. Von dem ganzen jungen Gemüse, der die unter 30 sind, erwartet man Fitness, aber was unser 40 jährigen Jörg hinlegte war schon spektakulär. Jörg war die gesamte Zeit mit seinem 277 Ride unterwegs (er hatte nur ein Board mit) und war bis auf einige Umriggaktionen ständig draußen. Hut ab vor soviel Power.

Ich nahm dann gegen 16:00 Uhr meine Auszeit. Der Wind hatte mittlerweile 7-8Bft. erreicht und trennte die Weicheier von den Hartgekochten. Schumi fuhr noch ein paar Runden und ich durfte mich mal wieder einmal als Fotograph an fremden Kameras beweisen, auf deren Filme die Helden gebannt wurden. Irgendwann lag dann auch Schumi am Strand und wir konnten das Auto packen um nach Hause zu fahren. Die Rückfahrt wurde dann ab Léon zu Albtraum, denn Wind und Regen nahm auf der Autobahn so abartig zu, dass wir manchmal heftigst ins Schlingern kamen. Nach 11 Stunden Rückfahrt für 1600 km waren wir dann wieder da wo wir hergekommen sind. In Halle (Saale), mit 20°C negativen Temperaturunterschied zu l´Almanarre, am zugefrorenen Süßen See, unserem Homespot. Der wurde an diesem Tag übrigens wieder eisfrei und bei starkem Wind von Katze und Peter Thun erstmalig befahren.

Tom 12. Februar 2000